Wärmedämmeigenschaften der Gebäudehülle - Wärmedämmsysteme, Teil 3

Weiter geht es mit dem dritten Teil der Reihe "Dämmeigenschaften der Gebäudehülle". Unsere Mitarbeiterin Katharina Stünkel beschäftigt sich hierbei mit dem Thema "Wärmedämmsysteme".

Polystrol als Wärmedämmverbundsystem

Wenn es um die Sanierung der Fassade geht, entscheiden sich viele BauherrInnen für ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS). Dieses ist meistens aus expandiertem Polystyrol (EPS), besser bekannt unter der Marke "Styropor".

Polystyrol ist ein Kunststoff, der aus flüssigem Styrol hergestellt wird. In einer chemischen Reaktion schließen sich Einzelmoleküle zu langen Ketten zusammen und es entsteht festes Polystyrol. Dieses wird mithilfe eines Treibmittels und heißem Wasser/ Dampf zu EPS aufgeschäumt. Polystyrol ist in der Baustoffklasse B1 (schwer entflammbar) eingestuft. Trotz zahlreicher anderer Varianten deckt Polystyrol seit Jahren einen Marktanteil von mehr als 80 % ab. Diese große Beliebtheit verdankt das Material seinem niedrigen Preis von 15,- € - 20,- € pro m2 inklusive Montagematerial. Ferner verfügt Polystyrol über gute Wärmedämmeigenschaften (Wärmeleitfähigkeit von 0,030-0,040 W/ mK) und lässt sich relativ einfach verbauen.

In den letzten Jahren hat sich die Kritik an der Geeignetheit von Polystyrol als Wärmedämmsystem verstärkt. Die meiste Aufmerksamkeit erhielt das Material durch mehrere Wohnhausbrände, die Zweifel an der B1-Einstufung weckten. Durchgeführte Tests anlässlich der Bauministerkonferenz 2013 unterstützen diese Zweifel. Da dem Styrol Brandschutzmittel zugesetzt werden, ist dennoch eine Klassifizierung nach B1 möglich. Bisher wurde das giftige Brandschutzmittel HBCD verwendet, das inzwischen verboten wurde. Seit August 2015 dürfen nur noch Dämmstoffplatten mit dem neuen Flammschutzmittel Polymer-FR (bromiertes Polymer) verkauft und hergestellt werden.

Ein weiteres Problem ist, dass Polystrol nicht der geltenden EU-Norm (SBI-Test nach EU-Norm EN 13501) erfüllt. Dort gilt Polystyrol als "normal" entflammbar. Diese Einstuftung widerspricht der deutschen Einstufung nach B1. Weitere Kritikpunkte sind der hohe Energieverbrauch für den gesamten Lebenszyklus des Produkts (graue Energie), begrenzte Verfügbarkeit der Rohstoffe wie Erdöl, klimaschädliche Pentan- und Giftstoff-Emissionen bei der Herstellung, starker Qualm und giftige Gase im Brandfall, Recycling als WDVS nicht möglich, das Material ist nicht UV-beständig (Oberfläche wird spröde bei Sonneneinstrahlung und die Dämmwirkung verringert sich), die Platten schrumpfen und es können Fugen (Wärmebrücken) entstehen und es ist relativ diffusionsdicht. Ferner müssen, um die Ansiedlung von Schimmelpilzen und Algen zu verhindern, umweltschädliche Fungizide und Algizide auf das WDVS aufgetragen werden. Diese halten nur wenige Jahre und waschen sich bei Regen von der Fassade ab, gelangen dann in die umliegende Erde und können so Kinder und Haustiere gefährden. Umstritten ist ebenfalls die Haltbarkeit von Polystyrol-Dämmplatten. Die Hersteller werben mit einer Lebensdauer von etwa 50 Jahren, Fachleute halten hier deutlich kürzere Zeiträume von 20 bis 25 Jahren für realistisch. Bei der Frage nach der Nutzung oder Nicht-Nutzung von Polystrol gehen die Meinungen auseinander - empfehlenswert ist daher immer die kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema und das Befragen von unabhängigen Experten.

Für die wirtschaftliche Betrachtung sind präzise Werte enorm wichtig, um abschätzen zu können, ob der Baustoff Polystyrol tatsächlich günstiger ist als mögliche Alternativen. Lediglich die Anbringung des EPS als WDVS ist günstig, wenn das Material direkt angebracht werden kann. Ist die Fassade uneben, wie oft im Altbau, ist ein teurer Mehraufwand notwendig, um die unflexiblen Platten so anzupassen, dass keine Fugen entstehen. Unwirtschaftlich ist auch der Abriss der Polystyrol-Dämmplatten. Durch den Verbund als Dämmsystem und die Zusätze giftiger Bestandteile (Fungizide, Algizide etc.) muss das Material als Sondermüll in speziellen Anlagen entsorgt werden. Die hohen Kosten hierfür tragen die Immobilienbesitzer. Folglich sollte die Wirtschaftlichkeit individuell geprüft und abgewogen werden.

Alternativen zum Polystrol-Verbau

Zur Dämmung der Fassade muss sich nicht zwangsläufig für ein WDVS entschieden werden. Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise die Kerndämmung, die sehr günstig (amortisiert sich nach 3-5 Jahren) und schnell einzubauen (1-2 Tage) ist, oder auch die Vorhangfassade, die u.a. durch ihre Langlebigkeit und gute Dämmwirkung besticht. Schimmelbildung ist bei letzterem nahezu ausgeschlossen. Innendämmungen kommen selten zum Einsatz und sind schwierig in der Ausführung.

Bei den Dämmmaterialien von Kerndämmung und Vorhangfassade ist das Spektrum wesentlich größer als bei einem WDVS:

  • Mineralschaumplatten werden mit relativ geringem Energieaufwand aus Sand, Kalk und Zement hergestellt und sind nicht brennbar. Durch die kurzen Wege zum Werk und die problemlose Entsorgung ist die Öko-Bilanz gut. Nachteile: schlechterer Wärmeleitwert als Polystyrol bei gleicher Plattendicke (λ bis 0,035 W/mK), was mit stärkeren Platten aufgewogen werden kann.
  • Holzfaserdämmstoffe sorgen dafür, dass sich ein Haus im Sommer weniger aufheizt. Die Wärmeleitfähigkeit liegt bei etwa 0,040 bis 0,055 W/mK.
  • Polyurethan (PUR) ist sehr haltbar, feuerfest, enorm druckstabil und wiegt nur 3 kg/m2. Da das Material wasserabweisend ist, ist es kaum anfällig gegenüber Schimmelbildung. Da es sich um einen Kunststoff handelt, ist der größte Nachteil der sehr hohe Energieverbrauch im Herstellungsprozess sowie der Einsatz von Erdöl. Im Gegensatz zu Polystyrol lässt sich PUR jedoch problemlos recyceln. Wärmeleitfähigkeit: 0,02-0,025 W/mK.
  • Schaumglas lässt sich aus recyceltem Altglas herstellen und gilt daher als ökologisch. Der Dämmstoff ist in Form von Platten oder als Schaumglasschotter (Granulat) erhältlich und eignet sich für viele Einsatzgebiete, vornehmlich aber zur Dämmung erdberührter Bauteile. Wärmeleitfähigkeit: 0,04 bis 0,06 W/mK.
  • Kork hat den ökologischen Nachteil des langen Transportweges aus Südeuropa, eignet sich aber gut zur Wärme- und Schalldämmung. Recht teuer dafür Haltbar. Wärmeleitfähigkeit: 0,045 Watt/mK.
  • Hanf-Dämmplatten haben einen guten Wärmedämmwert von ca. 0,040 W/mK und sind mit einem natürlichen Flammschutzmittel (Soda) ausgerüstet.
  • Schilfrohr-Dämmplatten werden flächig aufgebracht, mit Drähten miteinander verbunden und mit Lehm- oder Kalkputz verputzt. Chemische Behandlung ist nicht nötig, da das Material von vornherein einen hohen Silikatgehalt aufweist. Wärmeleitfähigkeit: 0,059 W/mK, Baustoffklasse (Brennbarkeit): B2 (wie Polystyrol).
  • Gras hat eine sehr gute Ökobilanz (nachwachsender Rohstoff, kurze Transportwege); Wärmedämmung ähnlich gut wie bei Stein-oder Glaswolle, sehr gute Schalldämmung, optimale Feuchtigkeitsregulation, keine Selbsterwärmung im Sommer (Hitzeschutz), durch Zugabe von Borsäure (nur bei Wiesengras) Einstufung in Baustoffklasse (Brandschutz B2). Problem: Dämmplatten sind in Deutschland schwer erhältlich, weil sie hier nicht hergestellt werden.
  • Schafwolle kann in Zusammenhang mit einer Vorhangfassade zur Außendämmung verwendet werden. Sie erreicht eine Wärmeleitfähigkeit zwischen 0,035 und 0,045 W/mK. Die größten Nachteile sind ihre Anfälligkeit gegenüber Insektenbefall und Verrottung sowie die erhöhte Brandgefahr (normal entflammbar).
  • Vorgemauerte Ziegel mit Perlitfüllung sind im Brandschutz ungeschlagen, da die Perlite vulkanischen Ursprungs sind und nicht brennbar. Zudem verfügen sie über einen sehr guten Schallschutz und eine geringe Wärmeleitfähigkeit (0,07 bis 0,09 W/mK). Um dauerhaft Rissbildungen zu vermeiden, sollte auf eine hohe Dicke der Außenstege (mind. 1,5 cm) geachtet werden.
  • Vakuum-Dämmpaneele (VIP) sind sehr dünn und bestehen aus einem offenporig hergestellten Stützkern sowie einer vollkommen dichten Hülle, um das Vakuum im Innern dauerhaft zu erhalten. Sehr teuer und wenn das Vakuum kaputt geht aufwendig auszutauschen.

Egal für welches Dämmsystem man sich letztendlich entscheidet, die Umsetzung sollte in jedem Fall fachmännisch ausgeführt werden, um eine schadenfreie Konstruktion zu erhalten. Thermische Mängel in der Hüllfläche, wie sie durch Wärmebrücken entstehen können, kosten nicht nur Energie, sondern Schaden zusätzlich dem Bauteil und dem Innenraumklima. Mehr zum Thema "Wärmebrücken" gibt es im nächsten Teil!

Fragen zum Thema? Wenden Sie sich gerne an:

Quellen

  • Brauer, Ulla (16. November 2015). "Polystyrol-Fassaden brauchen noch mehr Brandschutz". www.ndr.de. Link zum Artikel. Zuletzt besucht am 27. Mai 2018.
  • Grimm, Roland (19. Dezember 2014). Alternatvies Flammschutzmittel: Polymer-FR schützt Styropor vor Feuer. www.baustoffwissen.de. Link zum Artikel. Zuletzt besucht am 26. Mai 2018.
  • Umweltbundesamt. Entscheidungshilfen zur Verringerung des Bioideinsatzes an Fassaden. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt.
  • vPRESS GmbH (2018). Dämmung: Polystryol (EPS). www. energiesparen-im-haushalt.de. Link zum Artikel. Zuletzt besucht am 26. Mai 2018.