DENKEN + WIRTSCHAFTEN IN KREISLÄUFEN: Zirkuläre Wertschöpfung – Mehrwert und Perspektiven für Unternehmen

Detmold – Die Kreislaufwirtschaft als Basis zukünftiger Geschäftsmodelle? Am 27.09.2019 diskutierten rund 165 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe über die Zukunft des (zirkulären) Wirtschaftens in Ostwestfalen-Lippe (OWL). Mit dabei waren u.a. Prof. Michael Braungart – der Vater des Cradle to Cradle-Gedankens, Zero-waste-Expertin Milena Glimbovski, der Ständige Vertreter der Abteilung Wirtschaftspolitik vom Wirtschaftsministerium NRW Reinhold Rünker, SCHÜCO-Nachhaltigkeitsmanager Stefan Rohrmus und PreZero Service Westfalen-Geschäftsführer Jürgen Kaiser.

Produktnutzen ohne Rohstoffverbrauch – eine Utopie oder doch machbar? Das Neudenken von Prozessen und Werkstoffen in möglichst endlosen Verwertungszyklen – einer Kreislaufwirtschaft – ist die logische Konsequenz des Klimawandels und seinen Folgen. Hierbei liefern z.B. alte, nicht mehr genutzte Produkte die Ausgangsstoffe für neue Waren – wertvolle Rohstoffe werden so geschont. Die Kreislaufwirtschaft gilt daher als ein möglicher Ansatz, um bestehende Prozesse und Geschäftsmodelle effizient für die Zukunft auszurichten.  

Im Zukunftskonzept 2025 des Kreis Lippe hat das Thema Kreislaufwirtschaft einen festen Platz. „Ostwestfalen-Lippe bietet ein großes Potential für zirkuläre Wertschöpfungsketten. Zum einen sind in OWL eine Großzahl an KMUs ansässig, die meist flexibel Investitionsentscheidungen zugunsten neuer Wertschöpfungsformen treffen können. Weiterhin bietet die industrielle Struktur OWL’s die Chance, Treiber vor Ort zu finden, die aufgrund ihrer Branchentätigkeit (z.B. Sekundärrohstoffverarbeitende Unternehmen, Kunststoff-, Papier- oder Metallindustrie) und sich ändernden Rahmenbedingungen an Prozessänderungen interessiert sind“, sagt Dr. Axel Lehmann, Landrat des Kreises Lippe. Dr. Ute Röder, Fachgebietsleiterin Umwelt/ Energie beim Kreis Lippe ergänzt: „Die Partner von Lippe zirkulär haben sich zum Ziel gesetzt, die wesentlichen Hemmnisse im Bereich der Nachhaltigkeit, z.B. fehlender Wettbewerbsdruck, schwache Rentabilität des Nachhaltigkeitsmanagements, zu adressieren, z.B. durch gemeinsame Pilotprojekte oder Investitionen in Wissenschaft und Forschung.“

Prof. Jürgen Krahl, Präsident der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL), kann Röders Aussage nur zustimmen. „Dort, wo Wirtschaft, Politik und Wissenschaft kooperieren, entsteht neues Wissen, das zu Innovationen und Unternehmens-gründungen führt. Im Lehr- und Forschungsbetrieb sehen wir täglich, dass Technologien und Lösungsansätze ein kreatives Umfeld benötigen, in denen Lösungsansätze reifen können. An der TH OWL forschen wir bereits zu wichtigen Zukunftsfragen, die an die Kreislaufwirtschaft gekoppelt sind, u.a. in den Feldern Energie, Umwelt, Lebensmittel, Werkstoffe und Digitalisierung.“

„Zirkuläre Wertschöpfung ist ein „Ermöglichungs“-Programm, das hohe Qualität und „gute“ Arbeit vereint“, sagt Reinhold Rünker, ständiger Vertreter der Abteilung Wirtschaftspolitik des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. „Effizienz schreibt lediglich die lineare Wirtschaftsentwicklung fort, indem es kostenorientiert das Verhältnis von Input zu Output verbessert (Recycling, Reuse). Zirkuläre Wirtschaft braucht aber ein Qualitätsmodell – also bessere Materialien, Prozesse und Produkte. Es geht um Reuse, Upcycling und Rethink. Nur so wird unsere hochwertige Industrie eine Perspektive haben“, argumentiert Rünker. Um Investitionen in innovative Verfahren und Geschäftsmodelle zur Sicherung der Ressourceneffektivität zu gewährleisten, kann ein produktorientierter Ansatz, in dem Rohstoffe gebraucht und weniger verbraucht werden, die Lösung sein.

Dieses Fazit dürfte im Sinne von Prof. Michael Braungart, Professor für Öko-Design an der Leuphana Universität Lüneburg und Vater des Cradle to Cradle-Gedankens (C2C), sein. Braungart ging in seinem Vortrag sogar noch ein Stück weiter und argumentierte, dass Öko-Effektivität nur erreicht werden könne, wenn umfassende Qualität und Nützlichkeit von Produkten zukünftig höhere Priorität genießen als die Herstellungseffizienz. „Während wir derzeit nur auf die Effizienz von Produkten und Prozessen schauen, sollte der Fokus wieder auf die Effektivität gelegt werden“, so Braungart.

Beispiele aus der Praxis lieferten Stefan Rohrmus, Nachhaltigkeitsmanager bei SCHÜCO International, Jürgen Kaiser, Geschäftsführer von PreZero Service Westfalen – ein Unternehmen der Schwarz-Gruppe, und Milena Glimbovski, Gründerin von "Original unverpackt", Achtsamkeits- und Nachhaltigkeitsexpertin.

Rohrmus stellte in seiner Präsentation den verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen im Gebäudesektor in den Mittelpunkt und zeigte, wie SCHÜCO die C2C-Prinzipien in seiner Nachhaltigkeitsstrategie verankert hat. Kaiser zeigte indes, dass die Schwarz-Gruppe neben den gängigen Instrumenten, wie Plastikreduzierung und -recyceln, zukünftig auf Redesign setzt. „Durch die Vermeidung von überflüssigen Verpackungsbestandteilen, die Überarbeitung der Verpackungszusammensetzung oder einer neuen Verpa-ckungsgestaltung sparen wir zukünftig mehrere hundert Tonnen Plastik ohne Nachteile für den Verbraucher zu generieren“, so Kaiser. Glimbovski verdeutlichte in ihrer Keynote, dass der „Zero waste“-Gedanke ganz einfach in den Alltag integriert werden kann – „Hürden existieren meist nur in den Köpfen“, sagt sie. Glimbovski argumentiert, dass ein Unternehmen nur so nachhaltig sein könne, wie die Menschen, die es beschäftigt. „Es beginnt mit der Sensibilisierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, erst danach können weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Abfall (z.B. loser Tee, Getränke in Glas-Mehrwegflaschen) folgen."

In einer Talkrunde diskutierten Vertreter und Anwender zirkulärer Wertschöpfung mit dem Auditorium, wie diese „neuen“ Ideen ertragreich in zukünftige Arbeitsprozesse eingebracht werden können. Rund um die Veranstaltung fand eine Ausstellung mit BEST PRACTICE-Beispielen statt, die über regionale, unternehmerische und forschungsorientierte Ansätze informierte. So stand die EnergieAgentur NRW etwa Rede und Antwort zum Thema Finanzierungs- und Geschäftsmodelle. Beispiele aus Hochschule, Industrie und Handwerk zeigten, welche Potenziale die zirkuläre Wertschöp-fung hinsichtlich Kostensenkung und Wachstum bereithält.

Weitere Eindrücke von der Veranstaltung finden Sie auf der Eventseite:

Ansprechpartner: