Energieforschung verbindet Disziplinen

Die Hochschule OWL hat ein drittes Forschungsinstitut: Das „Future Energy – Institut für Energieforschung“ (iFE) bündelt die Kompetenzen von sieben Professuren aus vier Fachbereichen. Institutsleiter Prof. Thomas Schulte und seine Stellvertreterin Prof.'in Susanne Schwickert geben im Interview Auskunft über Ziele, Arbeitsfelder und Herausforderungen des neuen Instituts.

Das „Future Energy – Institut für Energieforschung“ verbindet sieben bestehende Arbeitsgruppen – was ändert sich durch die Institutsgründung in der täglichen Arbeit?
Professorin Susanne Schwickert: Wir haben durch die Institutsebene ein anderes finanzielles Fundament und beispielsweise nicht nur die Mittel, fünf zusätzliche Doktoranden einzustellen, sondern auch eine Geschäftsstellenleitung, die uns in vielen organisatorischen Dingen unterstützt. Mit Frau Denise Hohenstein (M.A) haben wir an dieser Stelle jetzt eine Mitarbeiterin, die die Fäden in der Hand behält, Dinge bündelt und vereinheitlicht – das ist viel effizienter, als wenn jede Professur ihr eigenes Süppchen kocht. Dadurch können wir uns noch mehr als bisher auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren.

Professor Thomas Schulte: Gemeinsam ist man stark. Das Institut bietet organisatorische Vorteile, ist aber natürlich nicht nur eine Hülle. Durch die Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen entstehen Synergien und interdisziplinäre Projekte.

Gibt es dafür bereits ein Beispiel?

Schulte: Das Projekt Quarter Energy ist ein erstes Kernprojekt, das alle Fachbereiche verbindet. Hier sind fünf Promotionsvorhaben integriert, die sich mit Themen rund um die Energieversorgung in Siedlungen befassen.

Was ist die Besonderheit des FE – auch im Vergleich zu den beiden anderen hochschuleigenen Forschungsinstituten?

Schwickert: Wir sind ein fachbereichsübergreifendes Institut. Wir kommen aus den vier Fachbereichen Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Elektrotechnik und Technische Informatik, Maschinentechnik und Mechatronik sowie Produktion und Wirtschaft. Dadurch leben wir eine starke Interdisziplinarität.

Wie drückt sich das im Alltag aus?

Schulte: Interdisziplinarität ist Chance und Herausforderung zugleich. Wir sprechen nicht immer die gleiche Sprache. Man muss lernen, sich zu verstehen. Dabei geht es gar nicht ausschließlich um die Fachsprache, sondern auch um ganz alltägliche Begriffe, die wir je nach fachlichem Hintergrund anders interpretieren. Hier führen wir häufiger Diskussionen, obwohl wir uns in der Haltung zum Thema eigentlich sehr einig sind – dabei lernt man immer wieder viel dazu. Es muss aber auch betont werden, dass sich die Mühe lohnt. So entstehen in der interdisziplinären Zusammenarbeit gerade dann neue Ideen und Ansätze, wenn die Denkweisen aber auch die Probleme und Hemmnisse anderer Disziplinen verstanden sind.

Welche Felder innerhalb des großen Themengebietes Energieforschung haben einen besonderen Fokus?

Schulte: Wir legen strategische Schwerpunkte auf die Gebiete Mobilität, Quartiere und Arbeitswelt. Unter die Arbeitswelt fällt dabei beispielsweise die Frage, wie Industriemaschinen effizienter gestaltet und Arbeitsabläufe von Maschinen optimiert werden können.

Schwickert: Zum Themenfeld Quartiere gehört zum Beispiel das Kernprojekt Quarter Energy. Der Name leitet sich einerseits vom Begriff Quartier ab und bezieht sich zum anderen auf das Ziel, Energieverbräuche auf ein Viertel zu reduzieren. Dabei geht es nicht um die Dämmung von Gebäuden, sondern um die Optimierung von Gebäudetechnik und um die Untersuchung des Nutzerverhaltens.
Energieeinsparung wird heute häufig mit Komforteinschränkungen verbunden – hier gilt es, das Konsumverhalten zu hinterfragen und das Energiebewusstsein zu stärken. Ein Vergleich: Vor Jahren war es noch nicht selbstverständlich, beim Autofahren einen Gurt anzulegen oder beim Verlassen eines Raumes das Licht auszuschalten – heute haben wir diese Dinge verinnerlicht. Beides würde man nicht mehr als persönliche Einschränkung oder Komforteinbuße betrachten.

Und das Themenfeld Mobilität?

Schulte: Wir beschäftigen uns allgemein gesagt mit umweltfreundlicher Fahrzeugtechnik, zum Beispiel mit Getriebekonzepten für Plug-In-Hybridfahrzeuge. Dabei geht es häufig um Problemstellungen, bei denen die Energiefragen auf den ersten Blick gar nicht im Vordergrund zu stehen scheinen.Denn mit jeder umweltfreundlichen Technologie sind viele Detailfragen verbunden.

Fließen die Aktivitäten in der Forschung auch in die Lehre ein?

Schulte: Natürlich. Einerseits integrieren wir Studierende als Hilfskräfte und über Abschlussarbeiten direkt in die Forschung. Andererseits gibt es natürlich eine Rückkopplung aus der Forschung in die Lehre – wir bleiben mit unseren Themen am Puls der Zeit, sodass keine Vergreisung des Wissens stattfindet. Ein konkretes Beispiel ist der Studiengang Zukunftsenergien des FB6. Insgesamt kann man sagen, dass der Lehrbetrieb einen ganz anderen Schwung bekommt, wenn parallel intensiv geforscht wird – das gilt natürlich auch für die wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Promovierenden, die ja auch in die Lehre eingebunden sind.

Welche Chancen ergeben sich für die Studierenden daraus?

Schwickert: Gerade für die Studierenden an meinem Fachbereich – der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur – bietet sich die Chance für eine Spezialisierung in den technischen Teilgebieten. Einerseits geht ohne Technik im Wohnumfeld heute nicht mehr viel, andererseits kann das Wissen über Technik den Bedarf an Technik im Alltag reduzieren. Sich hier fachlich etwas abseits des Mainstreams, wo der Fokus mehr auf der kreativen gestalterischen Arbeit liegt, zu positionieren, ist für Architekten und Innenarchitekten auf dem Arbeitsmarkt ein großes Plus.

Wie ist der Transfer aus dem Institut in Gesellschaft und Wirtschaft sichergestellt?

Schwickert: Viele unserer Themen bespielen die Schnittstellen zwischen Technik und Menschen – dafür ist es natürlich ganz zentral, die Menschen einzubeziehen. Das äußert sich allein schon dadurch, dass wir Probandinnen und Probanden oder auch genutzte Gebäude für unsere Forschung benötigen. Wir wollen das Verhalten der Menschen erfassen – in Energiefragen geht nichts ohne die Akzeptanz der Bevölkerung. Dazu kommt natürlich der Transfer auf der fachlichen Ebene: Ich veranstalte zum Beispiel alle zwei Jahre den Detmolder Bauphysiktag, auf dem wir Themen unserer Forschung für ein Fachpublikum platzieren.

Schulte: Der Transfer hat für uns oberste Priorität – denn ohne Transfer macht die Energieforschung - und im übrigen Forschung allgemein - keinen Sinn. Neben eigenen Veranstaltungen beteiligen wir uns stark auf externen Tagungen – auf nationaler wie regionaler Ebene. Und wir haben natürlich ein großes Partnernetzwerk in der Industrie, wodurch der Transfer von technischen Entwicklungen in konkrete Produkte möglich werden kann.

Können sich auch noch weitere Fachgebiete in das Institut einbringen?

Schwickert: Natürlich – unser Kreis ist erweiterbar. Jeder, der thematisch dazu passt, ist willkommen, sich aktiv in die Forschung einzubringen. Das gilt sogar auch für Disziplinen, die bei uns an der Hochschule OWL gar nicht vertreten sind. Wir kooperieren schon jetzt mit Sozialwissenschaftlern von der Universität Paderborn, weil die soziologischen Kompetenzen bei vielen unserer Fragestellungen unabdingbar sind. Wichtig ist allerdings eine starke Forschungsaffinität - wir müssen die Forschung letztendlich über unsere Projekte leben und finanzieren.

Wo sehen Sie das Institut in zehn Jahren?

Schulte: Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren das Institut zu etablieren. Wir wollen uns institutsintern noch besser verzahnen und eine Strategie entwickeln, damit wir nach außen als starker Partner in Fragen der Energieforschung auftreten können. Außerdem wollen wir unsere Forschungsaktivitäten weiter verstetigen und mit neuen Projekten hinterlegen.Dadurch wird es uns gelingen, die Sichtbarkeit in der Region zu erhöhen – für das Thema Energieforschung, vor allem aber auch für die gesamte Hochschule OWL.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zum iFE ist im Campusmagazin HOCHdruck (ab Seite 20) zu finden.

Das Interview führte Katharina Thehos, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Hochschule OWL