„Virtual Fluid Experience“ als neues Lehrformat
Die theoretische Grundausbildung in den Ingenieurswissenschaften ist oftmals mit der Herausforderung verknüpft, den Zugang zu abstrakten Zusammenhängen und Prozessen zu schaffen, damit Studierende in Bachelorstudiengängen die Grundlagen verinnerlichen. Schwierig wird es dann, wenn der Lehrstoff so gar nicht auf Beispiele aus dem Alltag übertragen werden kann. Was also tun? In seinem neuen Projekt „Virtual Fluid Experience“, gefördert durch ein Fellowship Hochschullehre 2017 des Stifterverbands und des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, will Prof. Georg Klepp dem beschriebenen Problem entgegentreten, indem er seine Studierenden da abholt, wo sie täglich die meisten Berührungspunkte haben: An ihrem Smartphone. Ziel des Projekts ist es, eine Lern-App zu entwickeln, mit der die Studierenden den Umgang mit Fluiden virtuell lernen.
MINT-Fachkräftemangel und industrienahe Qualifikationen
Über den Fachkräftemangel in dem MINT-Bereich wird seit Jahren diskutiert. Insbesondere im Bereich der Ingenieure gibt es eine Fachkräftelücke, die jedoch stark von aktuellen Entwicklungen abhängt. So sagte Oliver Koppel vom Institut der deutschen Wirtschaft in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass während es „vor ein paar Jahren noch die klassischen Maschinenbau- und Fahrzeugtechnikingenieure waren, die den höchsten Engpass hatten, sind es heute mit Abstand die Bauingenieure“ (Böddecker 2017). Dies sei auf den Infrastrukturbedarf zurückzuführen, der im Rahmen der Flüchtlingskrise entstanden ist. Generell gelte, so Koppel weiter, dass je industrienäher eine Hochschulausbildung sei, umso eher würden Absolventen eine Anstellung finden.
Herausforderungen bei der Vermittlung von Qualifikationen
Vor diesem Hintergrund versucht Klepp seine Studierenden auf den Berufseinstieg vorzubereiten, indem er Grundlagenwissen in Fächern wie Mathematik, Festkörper- und Fluidmechanik vermittelt. „Die Herausforderung bei diesen Grundlagenfächern besteht darin, für das Thema zu sensibilisieren und so einen Zugang für die sehr komplexen, theoretischen Konzepte und Modelle zu schaffen. Gleichzeitig muss ich auch der Heterogenität der Studierenden gerecht werden“, sagt Klepp. Gemeint sind hierbei die unterschiedlichen Bedürfnisse, die jede Studentin und jeder Student hat, um ein optimales Lernergebnis zu erzielen, und somit fit für den Beruf zu werden.
„Für alle Studierenden gilt, dass für das Fach Fluidmechanik wenig Alltagserfahrungen bei dem Umgang mit fluiden Medien vorliegen. Physikalische Konzepte, wie beispielsweise Druck und Geschwindigkeit, die zur Beschreibung der Phänomene dienen, sind unbekannt oder die Begrifflichkeiten weichen von der umgangssprachlichen Verwendung ab. Zum Verständnis und Anwendung der Fluidmechanik müssen die theoretischen Konzepte jedoch verinnerlicht sein.“ Damit der Heterogenität seiner Studierenden, und somit den essentiellen Qualifikationen für den Berufseinstieg, Rechenschaft getragen wird, wird Klepp ab dem SS2019 ein eLearning-Format einführen.
Lernen über die App
Ziel des Projekts ist es, eine Lern-App zu entwickeln, mit der Studierende eigenständig fluide Medien und deren Verhalten in unterschiedlichen Situationen virtuell testen können.
Virtual Fluid Experience besteht aus einer Sammlung von virtuellen Beispielen, in denen Studierende einzelne Parameter auswählen können und dann den Einfluss auf andere strömungstechnischen Größen untersuchen. Studierende können sich so individuell mit den Begrifflichkeiten und Konzepten aus der Fluidmechanik (z.B. Geschwindigkeitsfeld, Druckfeld, Zähigkeit, Kontinuität, Energieerhaltung) vertraut machen! Das eigene Wissen kann über die Lösung konkreter Aufgabenstellungen übergeprüft werden, die im Vorfeld in Zusammenarbeit mit KommilitonInnen und Lehrkraft erarbeitet werden.
Die Selbstständigkeit, die Selbstwahrnehmung und auch die Anwendung würden über die App gefördert werden. So sollte es Studierenden möglich sein, sich mit einem Alltagsgegenstand in die komplexe Materie einzufinden, findet Klepp.
Quelle:
Böddecker, Michael (08. Dezember 2017). Mangel bei MINT-Arbeitskräften. Elektriker und Mechatroniker gesucht. Interview mit Oliver Koppel vom Institut der deutschen Wirtschaft. Link: Deutschlandfunk.
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